Micro-Me-Time

Warum kurze Pausen uns produktiver machen und wie wir sie einbauen können 

„Erst die Arbeit, dann das Vergnügen“, mit diesen oder ähnlichen Glaubenssätzen protestantischer Arbeitsethik sind viele von uns sozialisiert worden. Pausen während der Arbeit sind gesetzlich klar geregelt und werden vom Arbeitgeber in Dauer und zeitlicher Lage vorgegeben, oft in Form einer 45-minütigen Mittagspause.

Dabei wäre es viel gesünder und effektiver, viele kurze Auszeiten über den Tag zu verteilen, um damit Kreativität und Produktivität auf hohem Niveau zu halten. Je nach Komplexität und Anstrengung ist unser „Arbeitsspeicher“ nach rund einer Stunde konzentrierter Arbeit „voll“ und es mehren sich Stressreaktionen, die sich psychisch, physisch oder emotional bemerkbar machen können. Unsere Erziehung und die Rahmenbedingungen klassischer Erwerbsarbeit lassen uns diese Reaktionen oft über lange Zeit unterdrücken und den damit einhergehenden Leistungsabfall ignorieren. Studien haben zudem ergeben, dass Menschen im Dauer-Aktiv-Modus sich häufig ungesünder ernähren und schlechter schlafen. 

Schon 5-10 Minuten Unterbrechung bewirken dagegen eine höhere Konzentrationsfähigkeit, bessere körperliche Fitness und eine Steigerung der Motivation. Dabei steigt jedoch die Erholungsbedürftigkeit überproportional, je länger wir durcharbeiten – bei gleichzeitigem Absinken der Arbeitsergebnisse. Viele kurze Auszeiten über den Tag verteilt ergeben daher Sinn.  

Entscheidend ist, dass eine Pause als solche wahrnehmbar ist. Der Kaffee am Laptop oder das Sandwich mit Podcast im Ohr ist jedenfalls keine. Ihr autonomes Nervensystem muss den Unterschied zur Arbeit wahrnehmen, sei es bei einer bewussteren Atmung mit geschlossenen Augen oder einem kleinen Spaziergang. Es hängt maßgeblich von der Art Ihrer Tätigkeit ab, wie Sie Ihre Unterbrechung am besten gestalten. Wer beispielsweise viel im Sitzen arbeitet, sollte aufstehen und sich bewegen, während Menschen, die auch körperlich arbeiten sich eher für ein paar Minuten in Ruhe hinsetzen mögen. In jedem Fall hilft ein kleiner Ortswechsel oder zumindest Abstand vom eigentlichen Arbeitsplatz. 

Auch sehr kurze Pausen sind bereits deutlich besser als gar keine. Planen Sie sie bewusst ein, etwa mithilfe der sogenannten Pomodoro-Technik, durch die Arbeitsabläufe in Abschnitte von je 25 Minuten Konzentration und 5 Minuten Pause eingeteilt werden. Durch diese, fast 50 Jahre alte Methode ist der Zusammenhang zwischen Arbeitsqualität und -menge und regelmäßigen Erholungsphasen offensichtlich. Mit ein wenig Übung erkennen Sie den optimalen Rhythmus für Ihre jeweiligen Aufgaben. 

Bei jeder Art bewusster und selbstbestimmter Tagesgestaltung sollte der Raum für Unterbrechungen einplanbar sein. Allein dadurch werden wir fokussierter und weniger ablenkbar. Arbeits- und Erholungsphasen werden mit der Zeit immer bewusster wahrgenommen und intensiver genutzt.  

Doch zunächst müssen wir wieder lernen, unser Bedürfnis nach Pause überhaupt zu erkennen. Nutzen Sie daher eine kurze Unterbrechung stets, um sich selbst zu fragen: „Wie geht es mir gerade? Verspüre ich Hunger, Durst, Müdigkeit…? Bin ich lustlos, angestrengt oder gelangweilt…? Was würde ich an meiner Arbeitsumgebung gerne ändern? Womit könnte ich in den nächsten Minuten einen Unterschied herstellen?“ 

Bis Sie Ihre individuell perfekten Pausenrituale gefunden haben, machen wir Ihnen hier ein paar Vorschläge zum Ausprobieren:  

Atemübungen 

Tiefes Ein- und Ausatmen verschafft uns unmittelbare Erholung, fördert bewusste Wahrnehmungen und wirkt Stressempfinden entgegen. Ob Sie dadurch eher beruhigt, energetisiert oder fokussiert werden, hängt von speziellen Atemtechniken ab, die Sie erlernen können. Für Ihre Mini-Pause achten Sie zunächst einfach darauf, etwas länger aus- als einzuatmen.  

Das Tageslicht nutzen 

So individuell unser persönlicher Biorhythmus auch sein mag – unsere aktiven und müden Phasen werden maßgeblich von Licht beeinflusst. Daher ist eine regelmäßige „Lichtdusche“ insbesondere für Menschen wichtig, die sich oft in abgedunkelten Räumen oder in künstlicher Beleuchtung aufhalten. Perfekt geeignet ist der Spaziergang um den Block oder ein bewusst eigelegter Fußweg von und zur Arbeit im Sommer. 

Für ausgleichende Bewegung sorgen 

Nutzen Sie Ihre kurzen Pausen für einen kleinen Workout, Ihre Lieblings-Asana oder eine gezielte Dehnung, um für den Ausgleich zu ihrer üblichen Arbeitshaltung zu sorgen. Fitnesstrainer oder Physiotherapeuten zeigen Ihnen Ihre passenden Übungen. Oder bauen Sie angestauten Ärger ab, indem Sie schnell die nächste Treppe hinauflaufen. Finden Sie die geeignete Sportart, ohne den Sport zu einem weiteren Punkt Ihrer To Do Liste zu machen. 

Selbstreflexion 

Nehmen Sie sich regelmäßig die Zeit, um sich selbst und Ihren Arbeitsalltag aus einer übergeordneten Perspektive zu betrachten. „Was motiviert mich gerade besonders?“, „Was kostet mich Kraft?“ „Wofür kann ich dankbar sein?“ „Was lerne ich gerade?“ „Welche Beziehungen möchte ich verbessern?“ „Was tut mir gut?“ Schriftliche Notizen verstärken den positiven Effekt und helfen beim Erkennen von Mustern. 

Platz schaffen 

Es mag zunächst paradox klingen, doch die bewusst eingeplante Zeit, um den Schreibtisch aufzuräumen, die nicht mehr benötigten Fenster im Rechner zu schließen und die Kaffeetassen in die Küche zu bringen hilft uns dabei, wieder fokussierter unsere nächste Aufgabe anzugehen. 

Viele dieser Ideen eignen sich durchaus, um auch in der Zusammenarbeit im Team regelmäßige Pausen zu etablieren. Führungskräfte sollten mit gutem Beispiel vorangehen und ihre Auszeiten ab und zu kommunizieren. Eine Reihe namhafter Unternehmen hat dies bereits erkannt und Möglichkeiten für Meditation, Sport oder sogar einen Power-Nap nach dem Mittagessen geschaffen.